Taufe und Taufpraxis

Kurze Rückbesinnung:
Paulus und Martin Luther zur Taufe

Für die ersten Christen war die Taufe selbstverständlich und von daher kein Grund für ausgedehnte Reflexionen. Im Getauft-Werden folgten sie Jesus von Nazareth, der sich selbst von Johannes taufen ließ. Paulus bestimmte im Römerbrief deren Inhalt präzise: „Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, so auch wir in einem neuen Leben wandeln. Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind und ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein.“ (Römerbrief Kap 6, Verse 3-5)

Martin Luther formulierte auf diesem Hintergrund seine Einsichten in die Bedeutung knapp und anschaulich im Kleinen Katechismus: „Es (sc. das Wassertäufen, C.G.) bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sunden und bösen Lüsten, und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinigkeit für Gott ewiglich lebe.“ (BSLK 516,32-38). Im großen Katechismus spricht Luther deshalb von der „täglichen Taufe“, die er mit dem „christlichen Leben“ in eins setzt (BSLK 704,33f.).
Seine Deutung hat für heutige Praxis eine doppelte Konsequenz: Taufe ist kein punktuelles Ereignis, sondern eröffnet einen lebenslangen Prozess. Und: Taufe ist primär auf das alltägliche Leben bezogen. Eine nur auf das sogenannte Gemeindeleben konzentrierte Taufpraxis verfehlt eine grundlegende Dimension von Taufe.

Hier können Sie die Anmeldung zur Taufe (PDF) herunterladen.

Taufe

Veränderungen und Anknüpfungen

Taufalter

Erst mit dem Personenstandsgesetz von 1876 wurde in Preußen und dann im Deutschen Reich der Taufzwang von Kindern aufgehoben, von dem lediglich jüdische Familien ausgenommen waren. Seither beginnt sich die über viele Jahrhunderte in unserem Kulturraum bestehende Verbindung von Geburt und Taufe zu lösen, und zwar in mehrfacher Weise.

Soweit ich sehen kann, sind heute die Taufen von Säuglingen innerhalb ihrer ersten Lebensmonate selten geworden. Häufiger sind Taufen am Ende des ersten Lebensjahr oder noch später zu beobachten.

Schon seit etlichen Jahren sind EKD-weit etwa 10% der zur Konfirmandenzeit angemeldeten Heranwachsenden noch nicht getauft. Hierdurch entstehen neue Herausforderungen für die Konfirmandenarbeit. Neben innerfamiliären Gründen, die zu einem „Vergessen“ der Taufe führen, können religiöse Gründe wie die Ablehnung der Kindertaufe durch die Eltern, aber auch der soziale Zusammenhalt in Peer-Groups sowie die Abgrenzung gegen ein kirchenfernes Elternhaus eine Rolle spielen.

Schließlich verdienen die Taufen von „Erwachsenen“ im sozialen Sinn Aufmerksamkeit.

Taufmotive

Nach wie vor kann ein wichtiges Motiv für die Taufe kleiner Kinder die Familientradition sein. So fragt die frisch gebackene Großmutter ihre Tochter, wann denn jetzt die Taufe sei. Ausdruck kann eine solche Tradition in einem besonderen Taufkleid finden, das von Generation zu Generation weitergegeben wird. Die den Getauften verheißene, generationenübergreifende Treue Gottes kommt so in ganz irdischer Form zur Darstellung.

Schlimme Widerfahrnisse oder Erfahrungen mit Tod und Sterben oder mit lebensbedrohlichen Situationen werden häufig als Taufmotive benannt. Der alte Text des 6. Kapitels des Römerbriefs bekommt so ungeahnte Aktualität. Paulus stellt hier den Täufling mit Christus, und damit auch mit seinem Sterben gleich. Eltern erhoffen durch die Taufe Schutz für ihr Kind. Eltern drücken mit ihrem Wunsch nach Taufe die Bitte an Gott um Bewahrung aus.

Tauforte

Hinsichtlich des Taufortes vollzog sich in den letzten fünfzig Jahren im Gegensatz zur sonst allgemeinen Pluralisierung der Lebensvollzüge eine Uniformierung der Taufpraxis. Genauer: Sie wurde im wörtlichen Sinn verkirchlicht. Die Taufe im Gemeindegottesdienst, genauer in der Zusammenkunft am Sonntagmorgen, dominiert mittlerweile vielerorts.

Mittlerweile lernen wir die umgekehrte Bewegung mit zu vollziehen: Die Familie oder der Freundeskreis, nicht die Kirchengemeinde oder der Religionsunterricht, ist für die meisten Menschen entscheidend auf ihrem Glaubensweg. Diese Erfahrungen verändern unsere heutige Taufpraxis, wenn auch langsam.

Taufsymbole

Die Taufe in ihrer Feiergestalt beinhaltet pädagogisch attraktive Symbole:
das Kreuz, die Nennung des Namens, das Wasser, die Handauflegung und die Kerze.

Diesen Symbolen ist zweierlei gemeinsam: Sie sind bis heute im Alltag präsent: Jede Kirche wird von Kreuzen geschmückt. Der Namen wird durch ständige Nennung präsent gehalten und ist das wichtigste Identifikationssymbol für die einzelne Person. Wasser ist in vielerlei Hinsicht überlebensnotwendig. Die Handauflegung ist eine Geste in vielen Lebenssituationen. Schließlich hat sich in unseren Wohnzimmern geradezu eine Kerzenkultur eingebürgert. Wir leben also – pointiert formuliert – in einer Welt, die ständige Anstöße zur Tauferinnerung gibt – eine entsprechende Sensibilität vorausgesetzt.   

Inhaltlich enthalten alle Symbole als zweites eine Ambivalenz: Das Kreuz ist kulturgeschichtlich ein altes Symbol der Vollendung („vier Enden der Welt“) und bezeichnet zugleich ein tödliches Marterinstrument. Der Name kann zärtlich oder scheltend ausgesprochen werden. Wasser erhält Leben, kann aber auch töten. Eine Hand kann behüten, aber auch schlagen. Die Kerze leuchtet und wärmt, verzehrt sich aber dabei. Diese Ambivalenz bildet zutreffend das Evangelium Jesu Christi ab. Denn dieser ist der Gekreuzigte und der Auferstandene.

Patenfrage

Abschließend will ich dies an einem vor kurzen selbst erlebten Fall verdeutlichen. Bei einer Taufe, um die ich gebeten wurde, ergab sich, dass einer der vorgesehenen Paten kein Kirchenmitglied mehr ist. Der junge Mann war etwa zwei Jahre vorher aus der Kirche ausgetreten. Im Zusammenhang der Totgeburt eines Kindes seiner Freundin hatte er sich mit Gott überworfen. Die von ihm positiv aufgenommene Bitte um Patenschaft stellte in dieser Situation eine erste Öffnung dar. Kirchenrechtlich war der Fall jedoch eindeutig: der junge Mann kann kein Pate werden. Ich verstehe jedoch Taufe als geistlichen, nicht rechtlichen Akt und überlegte theologisch, welche Aufgabe der Pate eines kleinen Säuglings hat. Die wichtigste geistliche Aufgabe scheint mir die Fürbitte für das Patenkind vor Gott zu sein. Tatsächlich war der junge Mann bereit, als Beginn seiner Patenschaft als eines geistlichen Amts eine Fürbitte für den Taufgottesdienst zu verfassen und vor der Gemeinde vorzutragen, also positiv in Kontakt zu Gott zu treten. Damit war für mich seine geistliche Qualifikation als Pate gegeben.

Text aus einem stark gekürzten Vortrag von Christian Grethlein, (grethle@uni-muenster.de)
Ephorenklausur Gera-Weimar am 03.06.2020 – Andreas Görbert, Superintendent

Taufgewissheit in unsicheren Zeiten

„Ich danke Gott und bin fröhlich, dass ich als Kind getauft bin. Ich habe nun geglaubt oder nicht, so bin ich dennoch auf Gottes Gebot getauft. An der Taufe fehlt nichts; am Glauben fehlt es immerdar.“ ( Martin Luther) Es bereitet mir gelegentlich Freude, Luthers klare Sätze zur Taufe im Gesangbuch und im Katechismus nachzulesen. Ich weiß, dass die Taufe in ihrer lebensgeschichtlichen Bedeutung in unserer Zeit nicht unumstritten ist. Das Bekenntnis zu Jesus Christus gehöre ebenso zur Taufe wie die persönliche Lebenswende, sagen die einen. Leider wird vergessen, dass wir ein ganzes Leben brauchen bis unser Glaube gewachsen und gereift ist. Andere meinen, scheinbar frei von solchen Anforderungen und Bemühungen, jedes Kind solle später einmal und selbst, wenn es erwachsen geworden ist, entscheiden, ob es mit der Taufe zu Gott gehören will. Leider wird in dieser scheinbar liberalen Sicht vergessen, dass wir als Eltern längst entschieden haben, in welchem Umfeld, Heimat, Bildung und andere Lebensfaktoren das Kind heranwächst. Irgendwie ist Luther wohl doch näher dran gewesen an der persönlichen und lebensgeschichtlichen Bedeutung der Taufe.

Mir sind in einem ganz anderen Zusammenhang wieder Luthers Sätze zur Taufe eingefallen, nämlich im Zusammenhang einer Diskussion mit Gymnasiasten, was Leben wertvoll und zu einem Leben mit Würde und Gewinn mache. Die Meinungen der Jugendlichen waren selbstverständlich sehr unterschiedlich, aber aus ihrer Optik müssen schon die äußeren und inneren Lebensumstände wie körperliche Gesundheit, soziale Milieus, ein gewisser Erwerbsstand usw. stimmen, damit das Leben der Mühe lohnt. Ich entdecke für mich: Die Taufe steht quer zu solchen Bedingungen. Sie lässt den Menschen erst Mitsterben am Kreuz, um mit Christus wiederum herauszukommen als neuer Mensch, so eine ziemlich  komplizierte Übertragung des Lebensschicksals eines Menschen auf alle Menschen. Das klingt zunächst abstrakt, verändert aber die Wahrnehmung grundlegend. Handauflegung, Kreuzeszeichen, Taufhandlung und Segnung unterbrechen den biologischen und kulturellen Lebensprozess. Sie geben dem Getauften eine Würde und eine Sicherheit, eine Zugehörigkeit und eine Zukunft, die nicht von Menschen, sondern von Gott abhängt und darum befreit. Die Alte Kirche hat darum den Täufling nach der Taufe durch die Gottesdienstgemeinde getragen, hochgehalten und wie einen König präsentiert, damit seine Würde und seine Bedeutung demonstriert, übrigens auch den behinderten oder nicht lebensfähigen Täufling.

Meine Taufe macht mich gewiss: Ich bin würdig und habe mein Leben zurecht seit meiner Taufe.

Andreas Görbert, Superintendent a.D.